Wasserkraft

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23. Mai 2022

Der Heimfall in zehn Fragen

Lesezeit

8 Minuten

Alpes et barrage

1. Was ist eine Wasserrechtskonzession?

Es handelt sich um eine Genehmigung, mit der die konzessionsgebenden Gemeinwesen als Eigentümer des Wassers einem Unternehmen das Recht gewähren, die Wasserkraft 80 Jahre lang zur Stromerzeugung zu nutzen.

2. Wer sind die konzessionsgebenden Gemeinwesen?

Im Wallis sind es die Gemeinden, die über die Seitenflüsse wie beispielsweise die Vispa verfügen, sowie der Kanton, der Eigentümer des Rottens ist.

3. Wer sind die Konzessionäre?

Konzessionäre wie Mattmark oder Grande Dixence sind hauptsächlich Unternehmen, die sich im Besitz von Partnern ausserhalb des Kantons befinden, welche wiederum häufig öffentlichen Körperschaften gehören. Diese Partner sind beispielsweise die SBB, Alpiq, Axpo, IWB oder auch BKW. FMV ist heute direkt oder indirekt Konzessionärin von 10% der Walliser Produktion.

4. Warum sind diese Konzessionen notwendig?

Im vergangenen Jahrhundert verfügten diese öffentlichen Körperschaften — Schweizer Kantone oder Städte — über eine Finanzkraft, die das Wallis nicht hatte. Gleichzeitig hatten sie einen grossen Strombedarf, ebenso wie die in unserem Kanton angesiedelte1 Grossindustrie, die ebenfalls Pionierarbeit leistete. Es waren diese innovativen Unternehmen, die die Anlagen zur Nutzung der Wasserkraft erbauten.

5. Wie wurde das Wasser konzessioniert?

Vor 80 Jahren und früher — das erste diesbezügliche Gesetz, wohlgemerkt im Wallis, stammt aus dem Jahr 1898! — haben unsere Vorfahren ein einzigartiges Konzessionssystem eingeführt. Mit einer doppelten Intelligenz: Die multifunktionale Ressource „Wasser“ und ihre Kraft vermieten und nicht verkaufen und so eine profitable industrielle Nutzung über drei oder vier Generationen hinweg zu ermöglichen, bis die Konzessionen ablaufen.

6. Warum sprechen wir heute vom Heimfall?

Heute laufen diese „Mietverträge“ mit einer Laufzeit von 80 Jahren allmählich ab. Mit dem Ablauf der Konzessionen werden die konzessionsgebenden Gemeinwesen nach kantonalem Recht Eigentümer der Wasserkraftwerke: Das ist der Heimfall. Die nassen Teile Wasserfassungen, Staumauern, Druckleitungen) erhalten sie gratis. Hingegen müssen sie für die trockenen Teile (Generatoren, Transformatoren, Leitungen) bezahlen. Das Wallis tritt also nach und nach ein aussergewöhnliches industrielles und historisches Erbe an, das eine wesentliche Rolle für die Stromversorgung der Schweiz spielt.

7. Was werden die Konzessionsgemeinden mit diesem Erbe tun?

Laut Gesetz gehen bei Anlagen mit einer Leistung von mehr als 10 MW 70% dieses Vermögens an die Konzessionsgemeinden und 30% an den Kanton, der seinen Anteil zum Marktpreis an FMV abtritt. Sie können ihr gesamtes oder einen Teil ihres Erbes verkaufen. Das Gesetz schreibt jedoch vor, dass die Konzessionsgemeinden oder ihr regionaler Verteiler mindestens 30% der neuen Gesellschaft behalten müssen. Mit mindestens 60% verfügt das Wallis somit über die Mittel, um die Bewirtschaftung seiner Anlagen im Hinblick auf die Schaffung des „Wasserkraftwerks Wallis“ zu kontrollieren.

8. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem „Wasserkraftwerk Wallis“ und dem Heimfall?

Das „Wasserkraftwerk Wallis“ besteht aus mindestens 60% der Anlagen, die sich auf Walliser Boden befinden. Eine Einheit, die nicht als Fusion der verschiedenen Unternehmen gesehen wird, sondern als virtuelles Kraftwerk, das nach und nach durch die Heimfälle gezeichnet und „aufgebaut“ wird. Diese Vision ermöglicht eine koordinierte Bewirtschaftung. Im Vordergrund steht die Schaffung von hochqualifizierten Arbeitsplätzen, Kompetenzzentren und zusätzlicher Wertschöpfung im Wallis. Integrierte Bewirtschaftung heisst auch: Mit dem Klimawandel kommt die Multifunktionalität des Wassers beim Heimfall der Konzessionen zum Tragen. Neben der Stromerzeugung müssen die gewählten Lösungen auch die Versorgung mit Trinkwasser und Wasser für die Bewässerung sicherstellen und verheerende Überschwemmungen verhindern.

9. Welche Rolle spielt FMV dabei?

FMV ist über den Kanton und die Gemeinden in doppeltem Besitz der Walliser Bevölkerung und wird mindestens über 30% an den Wasserkraftwerken verfügen. Als verbindendes Unternehmen ist sie vielleicht überall in der Minderheit, jedoch an allen Produktionsstandorten präsent. Sie ist daher an jedem Heimfall im Dienst der Walliser Gesellschaft beteiligt, insbesondere mit ihren Dienstleistungen und Expertisen technischer, finanzieller und rechtlicher Art.

10. Wann kommen diese Heimfälle?

Aktuell stehen neun Fälle an: Ernen-Mörel, Massaboden, Chippis-Rhône, Gougra, Lienne, die erste Dixence-Konzession, Orsières, Salanfe und Lavey. Alle diese kommen noch vor den grossen Heimfällen in den 2040er Jahren: Mattmark, Mauvoisin oder Grande-Dixence und der Vollendung des „Wasserkraftwerks Wallis“ mit seinen möglichen Erweiterungen für künftige Generationen.

Drei Fragen an...

Christoph Bürgin, Präsident des Verbands der konzedierenden Gemeinden (VKG)

Welches sind die grössten Chancen, die sich für die Konzessionsgemeinden aus den Heimfällen ergeben?

CHRISTOPH BÜRGIN: In erster Linie können die Gemeinden damit die von unseren Vorfahren vor 80 Jahren getroffenen Übereinkünfte abschliessen. In wirtschaftlicher Hinsicht bedeuten die Heimfälle den Erhalt und die Schaffung von zahlreichen Arbeitsplätzen in den betroffenen Regionen.

Welche Strategie empfiehlt der VKG, damit die Gemeinden (wieder) Eigentümerinnen dieser Anlagen werden, ohne die Unterstützung ihrer historischen Partner zu verlieren?

Wir schliessen uns vollständig der kantonalen Strategie an, welche vorsieht, dass mindestens 60% der Walliser Wasserkraft in Walliser Hand zurückkommt. Die Gemeinden haben dabei die Freiheit, grössere Anteile an ihren Kraftwerken zu behalten. Ebenso steht es jeder Gemeinde frei, ihre industriellen Partnerschaften beizubehalten oder für die Bewirtschaftung neue einzugehen.

Welche Stimmung herrscht in den Gemeinden bezüglich den Heimfällen vor?

Es ist ein echtes Interesse feststellbar, die Funktionsweise der Kraftwerke und ihres Potenzials zu verstehen. Gleichzeitig sind sie sich den Herausforderungen hinsichtlich der idealen Wasserbewirtschaftung und der energetischen Aspekten bewusst. Dabei kann FMV den Gemeinden ihr Wissen und ihre Unterstützung in diesen technischen und hochstrategischen Dossiers zur Verfügung stellen. 

memo

Das erste Gesetz über die Wasserkonzession kommt aus dem Wallis und stammt aus dem Jahr 1898.

Mindestens 60% der Anlagen des «Wasserkraftwerk Wallis» befinden sich auf Walliser Boden.

FMV wird mindestens 30% der Wasserkraftanlagen besitzen.